1.
Ein kleines Branchenblatt für Händler und Sammler im Antiquariat leidet, wenn es vorschnell auf Aktualität hin ausgelegt wird, bald an Auszehrung. Es gibt in der Tagesabfolge wenig Neuigkeiten, die wirklich berichtenswert sind, man darf die Geduld der Leser auch nicht mit Themen plagen, die sich bei näherem Hinsehen als gequälte, künstlich erzeugte Neuigkeiten entpuppen.

Interviews von Kollegen und - bisher sträflich vernachlässigt - von Sammlern können auch nur hin und wieder Eingang finden, viele Kollegen sind wenig redefreudig, die Sammler halten sich aus mancherlei Gründen noch mehr bedeckt als das Gewerbe, das sie beliefert. Webseitenkritiken, meine ganze Freude, erregen böses Blut und sind, wie ich hören mußte, bestgehaßt bei den werten Mitantiquaren. Auch mein Ausweg, längere Exkursionen ins Bibliothekswesen zu veranstalten, wird nur in Grenzen geschätzt, denn die Bibliothekswissenschaft ist ein schwieriges Feld, das Vorwissen erfordert. Fehlt es, dann erscheint die Materie von außen reichlich öde. Noch mehr gilt das für das Dokumentationswesen, die ich gleichfalls gern einbeziehen würde. Wer eine Schwäche hat für die Aus- und Irrwege des Dokumentierens im Internet-Zeitalter, der verfolgt die Fortschritte dort gern, aber auch hier ist die Schar der Interessierten reichlich schütter.

So geriet bisher fast jeder Versuch, Aktualität im Antiquariat herzustellen, zu einem Fiasko. Wer die Versuche in den letzten 40 Jahren, eine Antiquariatspresse auf die Beine zu stellen, vor seinem inneren Auge Revue passieren läßt, muß trübsinnig werden. Einzig dem geistigen Vorläufer des ZVAB, jenem sauber gedruckten Anzeigenblättchen, das jahrelang in den Ladengeschäften auslag, war ein wenn auch bescheidener Erfolg vergönnt.

Biesters "Aus dem Antiquariat" nimmt eine Sonderstellung ein, da es eher den klassischen Blättern für Bibliophilie und Bücherkunde entspricht und geruhsam mit langem Atem daherkommt. Sein Börsenblatt-Netzdienst ist das einzige Beispiel für gelungene Kontinuität in der tagesaktuellen Branchenberichterstattung, freilich eingezwängt in eine enge äußere Form, die, so hat es den Anschein, nicht verlassen werden darf. J e n e s Blatt, das Biester uns bringen würde, wenn er von der Form her dürfte, wie er will - d a s würde ich gern lesen.

Noch eine Randbemerkung zum "Antiquariatsanzeiger" und zum "Soloantiquar". Kollege Stormchens Antiquariatsanzeiger verdanke ich die Idee zur Rubrik "Unter uns" oder auch "Meinungsbeitrag", die bei mir einen festen Platz einnehmen soll. Denn so anregend und tapfer sein Versuch eines Fachmediums auch war, er hat mich zur Raserei gebracht mit seiner Unlust, seiner Verweigerung, selber zur Feder zu greifen. Er wollte einfach nichts schreiben! Die Leser wünschen aber, diese leise Mahnung geht auch an Dr. Biester, ein Stück persönlicher Dramatik zu sehen. Man sitzt als Leser gemütlich im Halbdunkel des Zuschauerraums und wartet mit freundlicher Neugier darauf, daß sich der Redakteur die Heldenbrust freimacht und sein Lebens- und Glaubensbekenntnis deklamiert, möglichst in Versen. Der Leser, der Zuschauer hat ein Recht darauf, im beständigen Kamingespräch mit dem Redaktor zu sein und Intimes von ihm zu erfahren. Wem diese Spur Theaterlust fehlt, der sollte nicht schreiben.

"Soloantiquar" gibt mir je länger je mehr Rätsel auf. Während Werbefachmann und Neuantiquar Weinbrenner eher publizistisch-ökonomische Interessen gehabt haben dürfte (auch von ihm haben wir viel Aktivität, aber nur wenige Zeilen Text gesehen), während wir ferner einem umtriebigen "Mach was mit Büchern"- Herrn noch etwas Zeit geben wollen, älter und erfahrener zu werden, ist mir Kollege Pardun mit dem "Soloantiquar"/ "Journal für Antiquariat und Antiquariatskunde" ein wandelndes Rätsel. Ich kann ihn nicht einordnen, wie immer ichs auch anfangen möchte. Ich muß nun kollegial-lehrhaft werden und feststellen, daß er zu umständlich schreibt. Man will auch gelesen werden - seine Texte kann man zwar studieren, aber nicht durchlesen. Was die Grundkonzeption seines Netzblatts betrifft, rate ich ferner zum Zurückfahren diverser technischer Spielereien. Antiquare wie auch Sammler sind erzkonservativ. Auch Biester mußte Aktionen wie seinen Twitter-Dienst in börsenblatt.net wieder einstellen. Automatisch generierte Texte tuns nicht, Schreiben tuts freilich, wenn ich den alten Pfarrer Kneipp zitieren darf.

2.
Worin besteht denn nun der Ausweg, nach dem wir am Anfang des heutigen Meinungstextes gesucht hatten? Wie kann ein Branchendienst Lesefutter herbeischaffen, ohne "Aktualitäten" zu quälen?

In unserem Fall liegt die rettende Idee auf der Hand. Unser ganzes Gewerbe, unser Sammelgebiet, ist rückwärtsgerichtet. Das Tagesaktuelle tritt für den Händler und den Bibliophilen in den Hintergrund immer dann, wenn er sich seiner Ware, seinen Objekten zuwendet. Es geht um V e r g a n g e n e s.

Also muß man sich an die Auswertung retrospektiver Quellen machen. Fachaufsätze von 1890 oder 1930 sind fast so tageswichtig für unsere Arbeit, als wenn sie heute geschrieben wären. Zwar ist die Forschung inzwischen ein Jahrhundert fortgeschritten, aber erstens sind in dieser Zeitspanne viele kleine Ergebnisse und Erkenntnisse wieder untergegangen und zweitens enthalten die alten Aufsätze oft originelle Gedanken, die seither nicht weitergesponnen worden sind.

Die technische Quellenlage ist nicht nur betrüblich, sie ist schrecklich. Zu einem Großteil befinden sich die Aufsätze, die Sammler und Antiquare gern lesen würden, nicht in den bibliophilen Blättern, sondern sie fanden damals ihren Platz in den Feuilletons der großen Zeitungen und in den "Kulturzeitschriften" jener Zeit. Dort sind sie schlicht und ergreifend - verschollen. Man kann sich mit dem "Dietrich" und anderen Quälinstrumenten mühsam von Aufsatz zu Aufsatz hangeln, findet die Quellenblätter vielleicht sogar in seiner Bibliothek, darf sie dann aber nicht selber ablichten, muß sich mit Readerprintern abplagen, sofern sie verfilmt sind. Und das sind erst die Anfänge jenes Schreckensbildes, das sich vor dem Laien auftut, wenn er die verschollenen kleinen Schätze seines Faches heben will. Es ist nämlich, bei näherem Hinsehen, alles noch viel schwieriger und noch viel schlimmer...

Nimmt man dem Fachkollegen, dem Fachsammler diese Mühe ein Stück weit ab, dann wird sich der, man darf es hoffen, darüber freuen. Tagesaktualität wird ersetzt durch "neu" ausgegrabene Artikelfunde!

Wie aber bietet man sie dar? Jedenfalls nicht mit einer "Bibliographie". Es grenzt an physische Grausamkeit, wenn uns, wie unlängst geschehen, Biester eine schöne Bibliographie der Aufsätze in "Aus dem Antiquariat" seit olims Zeiten bietet, dann aber keine Möglichkeit besteht für den Leser, dem das Maul wässrig gemacht worden ist, die Originaltexte einzusehen. Bei einer relativ seltenen Fachzeitschrift wie dem Börsenblatt-Ableger ist das völliger Unsinn in einer Zeit, die per Internet und Digitalisierung sekundenschnellen Zugang zu den erfaßten Texten bieten sollte, könnte, müßte, würde - ja, eben, wenn das organisiert wird.

Wie nun, das ist die Frage, kann ein handgestrickter und preiswerter Zugang zu erfaßten Fachtexten ermöglicht werden? Ich stelle Ihnen heute einen (von mehreren) Lösungswegen vor und bitte um möglichst offene Kritik.

Zuvor sind noch einige Anmerkungen zu machen. Ich wähle in Zukunft als letztes Erfassungsjahr 1932. Das ist bei geisteswissenschaftlichen Texten im deutschen Sprachbereich sinnvoll, weil schlagartig 1933 mit dem Einzug der Schande und des Irrsinns in das deutsche Geistesleben auch eine Verfälschung und Verödung der meisten Texte stattfand. Österreich und die Schweiz müssen da eben mitleiden... - Zum Urheberrecht habe ich, man weiß es vielleicht schon, entschieden radikale Standpunkte, ich möchte es in engsten Grenzen halten. Soweit ich nicht rasch feststellen kann, daß der jeweilige Verfasser erst nach 1940 verschieden ist, veröffentliche ich sein Material, in allen Grenz- und Zweifelsfällen veröffentliche ich den Text auch, halte mich aber bereit, ihn auf einfache Anforderung hin wieder zu entfernen. Notabene spreche ich jetzt nur von A u f s ä t z e n; bei Monographien würde ich so leichtfüßig nicht vorgehen wollen.

Ich versuche, die Artikel als Google-Picasa-Bilder zu bringen. Dies bedeutet, daß der Nutzer, wenn er das wünscht, die Bilder *vergrößert* dort aufrufen kann, er kann sie sich auch mühelos auf die eigene Festplatte kopieren, noch eleganter geht das, wenn er selber ein Picasa-Webalbum hat (wozu ich ihm nur raten kann). - Die Vorlagen aus der "Literarischen Beilage zur Kölnischen Volkszeitung" sind auf billigstem braunem Holzpapier mit unscharfen Frakturmatern gedruckt, sie stellen so ziemlich den größten Schwierigkeitsgrad einer Reproduktion dar. Dagegen sind die Vorlagen aus der altbekannten "Zeitschrift für Bücherfreunde" trotz unmittelbarer Nachkriegszeit perfekt gedruckt auf hochweißem Kartonpapier.

Da es mir heute nur um die technische Umsetzung der Scans geht, improvisiere ich die dazugehörigen bibliographischen Angaben bis herunter auf magere Titelstichworte. Es geht uns heute nur um die technische Umsetzung - ich bitte um Kritik.

Eben sehe ich (15.15 h) , daß die Lesequalität völlig unbefriedigend ist. Ich versuche eine bessere Scanauflösung und veröffentliche die (hoffentlich) besseren Bilder gegen 16 Uhr.

16 Uhr und allerlei mühsame Versuche absolviert > Auch mit doppelter Auflösung wird die Lesbarkeit nur wenig besser. So einfach läßt sich die Sache also nicht verwirklichen. Was tun?


Je nach Browser werden offenbar die folgenden Stichworte nicht unterstrichen - auch Google darf mal Unfug treiben. Deshalb die Bitte: Klicken Sie die folgenden Stichworte an, es sind alles Links zum Picasa-Webalbum.

Westfälisches Zeitungswesen

Martin von Cochem

Simplizissimus

Frankfurter Gesangbücher

Deutsche Presse 1810


Ältere Buchbinder

Bücherlesemaschinen

Rupprecht-Presse


Für das reizende Schatzgräber-Bild von Kutzer danke ich dem Goethezeit-Blog

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