Ein Werkstattbericht

Merke: Amazon-Abebooks-ZVAB ist nicht irgendein Gegner. Jede Unterschätzung rächt sich da sofort. Ein Beispiel.

Amazon mit seinen Töchtern Abebooks-ZVAB wird in zunehmendem Maß die Quervernetzung aus bereits vorhandenen Kundendaten nutzen. Ich darf ein Zitat aus dem "Buchreport" heranziehen, das sich zwar auf Amazons "crossing"- Verlagsprojekt bezieht, aber ebenso auch für unsere Überlegungen nützlich sein kann: "... durch die Auswertung der Kundendaten dürfte Amazon das verlegerische Risiko reduzieren können."

Diesen Aspekt vergessen wir gern, wenn wir über Amazon sprechen. Amazon hat Milliarden von Einzeldaten aus den Neubuchverkäufen, die der Konzern nutzen kann. Zwar steht Tante Datenschutz Gewehr bei Fuß, besonders in Deutschland, aber notabene muß Amazon ja nicht kundtun, wann es welche Daten auswertet. Man legt ein harmloses "...hat auch gelesen"-Programm auf, unterhält aber in Wahrheit hinter den Kulissen und für den Nutzer nicht direkt erkennbar eine gigantische Abschöpfungsmaschinerie zur Absatzförderung. Daß es so ist, darauf verwette ich meinen Lieblingshut.

Dies müssen wir uns vor Augen halten: Der Kauf von ZVAB und Abebooks durch Amazon eröffnet den Töchtern jeden Zugriff zu den Neubuch-Kundendaten, wenn die Mutter Amazon das will. Und wer würde die eigenen Töchter hungern lassen?

Amazon weiß, daß mich für ich historische Pornographie interessiere, daß Buchhändler Krause alles über das Tuning von Sportwagen sammelt und Studiendirektorin Kuntzemüller einen Hang zum Linksradikalen hat. Es kennt unsere durchschnittlichen Kaufbudgets, weiß, ob wir gern Buchkritiken schreiben, wie lang wir auf welchen Angebotsseiten bleiben und ob wir zuerst rechts oben hinzuschauen pflegen. Wie halten wirs mit Buchdeckelbildern? Glauben Sie mir, die Phantasie reicht nicht aus, um sich das Gesamtgebilde, wiederum nach den Einzelfaktoren unter sich in Beziehung gesetzt (korreliert), in seinem Wert zur Absatzförderung auszumalen.

Haben wir Entsprechendes, mit dem wir dem Kundenwissen der Amazonkrake Paroli bieten können?

Die Kundenkartei des Antiquars gehört zum Delikatesten, Geheimsten, über das er verfügt- nicht ohne Grund richtet sich der Verkaufswert von Buchantiquariaten oft nicht nach dem Warenbestand, sondern nach der Qualität der Kundenkartei.

Dieses Kundenwissen müssen wir nun so einsammeln, daß es der einzelne Kollege hergeben kann, ohne eine mißbräuchliche Ausschöpfung seines Kundenstammas befürchten zu müssen. Das will gut überlegt sein, sonst läßt sich kein Antiquar zu solchen Schritten bewegen. Ich bin dafür, daß die Datenbank nicht selbständig sammelt - was um Himmelswillen mag nur allein das ZVAB in den vielen Jahren seiner Arbeit an korrelierten Kundendaten gesammelt haben? -, sondern daß unsere Anti-Amazon-Datenbank im Besitz der Antiquare Wege der Informationsgewinnung d i r e k t von den teilnehmenden Antiquaren festlegt.

Hier steht dann Vertrauen gegen Vertrauen. Das neue Portal wird ja, wie wir sahen, die Grundidee des Webseitenverbunds (nein, Kollege RFMeyer, Sie brauchen nicht aufzuwachen) mit der Katalogverzeichnung zusammenführen und

*ein Portal nicht nur für den Zugang zum Einzelbuch, sondern e b e n s o zur Webseite des einzelnen Antiquars und zu seinen Katalogen werden.

Das waren bisher, etwa beim ZVAB, eher Alibiübungen, die lust- und lieblos durchexerziert wurden. Eine Datenbank der Antiquare aber wird insbesondere reichhaltiges Bildmaterial zu den Geschäfts- und Lagerräumen der Kollegen bieten, wird Katalogteile thematisch darbieten, wird Messebestände zeigen.

Im Gegenzug zu dieser weitaus engeren Bindung, die die neue Datenbank zum Einzelgeschäft des Kollegen herstellen wird, gibt der teilnehmende Antiquar nach strengen Sicherheitsregeln auch partielle Kundenprofile an die Datenbank weiter.

So müssen wir nun Schritt für Schritt die Stärken der Amazon-Abebooks-ZVAB-Krake analysieren - und ihr jeweils Gleichwertiges entgegensetzen.



Das Foto zum Thema "Neugier" fanden wir bei http://www.jdml.de/neugierige-katzen/, denen vermutlich auch das Urheberrecht gehört. Dank für die Ausleihe!




1.
Wieder einmal muß ich mich an der eigenen Nase zupfen und mir zurufen: Mulzer, hab nicht nur das Trauerspiel der vorbereiteten Monopolisierung im Internet-Verkaufsbereich einer ganzen Branche im Blick. Vergiß daneben nicht die andere, umfassende, große Lösung, die immer noch als Ausweg bleibt.

Natürlich ist der kommende Amazon-ZVAB-Abebooks-Verbund für jene drei Viertel unserer Kollegen, die auf Gedeih und Verderb am Absatz über diese drei Portale hängen, eine ganz fürchterliche Aussicht und ich sehe zwischen dem kommenden Monopol im Altbuchabsatz und den amerikanischen Bananenkonzernen in Mittelamerika keinen Unterschied. Würde, Freiheit und Selbstbestimmung werden quälend langsam zerstört, nicht weil Amazon böse wäre oder finstere Pläne hegte, nein - es sind die teuflischen Mechanismen unserer Wirtschaftsformen, die *zwangsläufig* zu jener Garrotte-Abwürgung führen, wenn ein Monopol freie Bahn erhält.

Wir haben in den früheren Beiträgen gesehen, warum die Kartellbehörden die Situation nicht erkennen können - die "Ebay-Falle" ist ebenso tückisch wie paradox, denn Amazons Hauptfeind Ebay liefert hier die Argumente für den Gegner. Es wäre darstellbar, daß die anderen Datenbänklein unterhalb der 10 % - Absatzmarge liegen, Wiesler wird uns seine Zahlen nicht vorenthalten. Aber die Ebay-Situation ist für Außenstehende nicht nachvollziehbar, und leider haben auch die meisten Antiquare keinen Schimmer davon, was Portalverkauf über Ebay für den mittleren Händler bedeutet, finanziell, vor allem aber technisch-taktisch. Für Unbedarfte sieht es so aus, als bestünde das Amazon-Monopol nicht, weil ja das Absatzventil über Ebay bleibt. Das ist in der Theorie richtig, in der Praxis aber ganz falsch. Hier sehe ich eine Tragödie, denn die Kartellbehörden können das nicht verstehen.

2.
Dr. Biester übertrifft sich heute selbst, indem er die ergänzende Pressemeldung von Mediantis
so kryptisch herüberbringt, wie sie sich auf dern ersten Blick darstellt. Nicht ein Wort zur Erläuterung, kein Quentchen Wertung. So ähnlich schrieb auch die Frankfurter Zeitung, als es sie 1942 eigentlich gar nicht mehr geben sollte, Hitler über das Frankfurter Blatt regelmäßig schimpfte und für den Redakteur jedes falsche Wort zur Festnahme durch die Gestapo führen konnte.

Wir glauben Biesters Metasprache im Börsenblatt zu verstehen. Als ich gestern Eurobuch nach längerer Zeit wieder einmal in seinen lindgrünen Räumen besuchte, fiel mir auf, wie weit dort die Orientierung auf den Neubuchverkauf schon fortgeschritten ist. Eurobuch will, so hat es den Anschein, ein Portal auch und vor allem für Neubücher werden. Was das für die Mediantis-ZVAB-Abebooks-Amazon-Strategie bedeutet, liegt auf der Hand - es kann sich nur um irgendwelche Verbergungsformen, um Winkelzüge und Tricks handeln, die am Ende alle im Riesenmagen des gigantischen Haifischs "Amazon" enden müssen - anders ist es gar nicht denkbar. Der Gemischtwarenabsatz Neu- und Altbuch will aber sorgfältig vorbereitet sein, nicht zuletzt wegen möglicher Imageverluste. Der Neubuchabsatz darf auf gar keinen Fall beschädigt werden (hierzu unter 3. gleich mehr).

Welche Rolle dabei die Mitwirkenden spielen, ob von Rheinbaben irgendwelche Nebenspielchen auf eigene Rechnung oder ob er, mit oder ohne Amazon-Auftrag, ergänzende Dienste betreibt, das kümmert uns eher wenig, solang Eurobuch auf so niedrigem Zugriffsniveau arbeitet wie jetzt. Es ist eher ein journalistisches Gefühl, im Magen angesiedelt, das uns sagt: Irgendeine Rolle soll jetzt Eurobuch für Amazon spielen, und wie immer es auch ausgehen mag, wir hilflosen Amazon-Milchkühe sind am Ende die Opfer, wir zahlen die Rechnung.

3.
Ich habe mich oben davor gewarnt, mich zu sehr einzulassen auf das Thema "Einzelbuch-Absatz". Noch immer verhält es sich so - davon bin ich felsenfest überzeugt -, daß drei Viertel aller Altbuchkunden, die nach Einzeltiteln suchen und einzelne Bücher bestellen, in Wahrheit viel lieber L o s e suchen würden, sich innerhalb ihrer Interessenfelder, ihrer Sammelgebiete bewegen würden, wenn sie es denn auf vernünftige Weise tun könnten in den Portalen.

Eine Datenbank im Besitz der Antiquare, die sich den RFMeyerschen Webseitenverbund (chr... chr... chr...) und die Biesterschen Kataloglisten als Ausgangspunkt einer völlig neuen Sachgruppenstrategie nehmen würde, könnte einen entscheidenden Vorsprung vor der Amazonkrake erhalten. Denn ohne ideelle Mitarbeit der Kollegen wäre das nicht auf die Beine zu stellen - und noch ist Amazon-Abebooks-ZVAB nicht in der Lage, die Antiquare zu einer solchen Mitwirkung zu zwingen. Noch nicht...

Das andere "Alleinstellungsmerkmal" einer Gegendatenbank sehe ich in der thematischen Verzeichnung von Edelware. Auch dies kann der Haifisch (noch) nicht leisten. Das reicht von jener virtuellen Darstellung der Messeware, die uns unlängst einige Videosequenzen schon vorausahnen ließen, bis in das Randgeschäft der Versteigerungshäuser. Eigentlich müßten nun Biesters Nüstern beben, denn nur für diesen Sektor unseres Gewerbes interessiert er sich wirklich.

Fassen wir zusammen: Eine Datenbank, ein Verkaufsportal, das uns vor der Amazonkrake noch retten kann, muß mindestens zwei Ideen verwirklichen: Erstens mutige Schritte hin zu einem erweiterten Webseitenverbund, zum zweiten sorgsam geplante Wege zu einer Webseiten-, Messe- und Versteigerungsdatenbank im Edelwarensektor.

Und sie muß, zum Donner, den Antiquaren selber gehören.



Das "Gerücht" gehört A.Paul Weber




Eurobuch hatte ich noch nie so recht gemocht. Die Webseitenbauer dort verstiegen sich zu immer groteskeren Farbtönen, sie pflasterten ihr Portal mit Signets zu wie der Wanderer seinen Stock mit Stocknägeln, das Auge fand keinen Ruhepunkt und allerlei Spielchen mit zitternden, mäßig stabilen Funktionen vergällten auch dem geduldigsten Nutzer den Aufenthalt.

Das war schade, denn bei näherem Hinsehen hatten sich die Eurobuch-Macher, die damals noch unter "sfb" firmierten, allerlei Nützliches, teils sogar Wegweisendes einfallen lassen. Nachdem ich sie lang genug als "Sender Freies Berlin" veräppelt und ihre unsäglichen, teils fäkalen Farbenspiele gebührend durch den Kakao gezogen hatte (Gelb, Rot und Braun vermischten sich seinerzeit in ihrem Portal wie in Tatortfotos der Gerichtsmedizin bei Lustmorden), entdeckten sie jenes peinliche Lindgrün, das uns in öffentlichen Toiletten des gehobenen Standards erfreut.

Sie vergaßen sich leider auch sonst, veranstalteten kuriose, weitgehend sinnfreie Statistikspielchen, man wußte nie, ob sie einem den Blutdruck messen oder Verkaufskurven bestimmter Bücher darstellen wollten. Weiterhin galt aber, daß mitten im Elend beachtliche Perlen zu entdecken waren. Im direkten Verkehr war Eurobuch umgänglich und freundlich, ich hätte ihnen ein besseres Ende gewünscht.

Denn Konkursversteigerungen, man kennt das von Einfamilienhäusern her, sind in der Regel nicht sehr ergiebig, sie lassen alle Beteiligten unfroh zurück - mit Ausnahme des vergnügten Erwerbers.

Dieser heißt nun ZVAB-Rheinbaben. Redakteur Dr. Biester vom Börsenblatt, dem wir die Neuigkeit verdanken, drückt sich seltsam verklausuliert aus und ist, da Rheinbaben kräftig bei ihm inseriert, in der bedrückenden Lage eines Angestellten, der gern seine Meinung sagen würde - es aber nicht darf. Solche indirekten Zwänge sind ärger als Maulkörbe aus Leder, muß sich doch der Journalist kuriose Winkelzüge abringen - wohl wissend, daß seine Leser ihm hämisch zusehen, wie er das nun wohl rüberbringen mag. Biester ist der beste Kenner der Antiquariatsbranche, den wir haben, sein Urteil zählt, die Antiquare schauen auf ihn. Wen verrät er nun, seinen Arbeitgeber oder seine Leser? Als guter Stilist und ehrlicher Charakter findet er den Mittelweg, der allein bleibt: Er deutet an und wertet nicht.

Wir Antiquare dürfen aber offen reden. Wir dürfen auch urteilen.

Klug war dieser Schachzug der Tutzinger nicht. Zwar erhöht er den Wert jener Morgengabe, die demnächst auch faktisch auf dem Amazon-Altar dargebracht wird - aber das Kartellamt wird sehr unfroh reagieren darauf. Der Zukauf dieser Metasuchmaschine könnte das Faß zum Überlaufen bringen und die Monopolwächter in Trab setzen - wäre da nicht jene himmelschreiende Unwissenheit des Amtes in Sachen Bücherportale, Metasuchmaschinen, Sprachgebietseinschränkung und Altbuchhandel überhaupt. Da niemand da ist, um das Amt aufzuklären, im Gegenteil die gewählten Vertreter unseres Gewerbes, wie geschehen, liebedienernd zum kommenden Monopolisten eilen, wenn der ruft, wird auch dieser reichlich freche Handstreich, der Zukauf von Eurobuch, die gesamte Übernahmeaktion nicht beeinträchtigen.

Ich hätte es in der jetzigen Situation nicht gewagt, man soll schlafende Löwen bekanntlich nicht wecken, auch dann nicht, wenn sie wie derzeit in Berlin sehr tief schlafen.

Wenn wir gerade beim Thema sind: Die einzige Chance, gegen den Amazon-Abebooks-ZVAB-Deal anzugehen, sehe ich nun noch auf der europäischen Schiene. Die betreffende Behörde liegt teilweise quasi vor meiner Haustür (zum anderen Teil leider in Brüssel), sie haben dort eine exzellente Kantine mit guter Quiche Lorraine und schöner Aussicht auf die Robertsau und da ich französisch spreche, bin ich gern zu entsprechenden Sondierungen bereit. Allerdings müssten die Antiquare das wollen. Wollen sie? Sie wollen nicht.

Ein interessantes Thema ist die zukünftige Rolle der Meta-Suchmaschinen. Sie sind, das gilt auch für mein hochgeschätztes und täglich benutztes Bookfinder, strategisch gesehen die idealen Erfüllungsgehilfen beim Vollzug der Monopolisierung. In der ersten Phase dienen sie zur Ablenkung, zur Vernebelung und Behauptung einer "Vielfalt", in der zweiten Schraubwindung der Monopol-Garrotte werden sie dann zum direkten Erfüllungsgehilfen der Monopolisierung. Meta-Suchmaschinen sind äußerst gefährliche Instrumente.

Da ich weiß, daß meine verehrten Kollegen ganz und gar keinen Sinn für taktisches Denken aufzubringen pflegen, schließe ich das leidige Thema.

Verbergung der teilnehmenden Antiquare, Vorschreiben von Preisen, Gebührenmarge 30 %, Vorschreiben der vermittelnden Bank, Terrorregime gegen abweichende, individuelle oder sonst aufmüpfige Kollegen, kommende Lügenkampagnen auf breiter Ebene, Einlullen der Öffentlichkeit durch selbstbezahlte Phantom-Datenbanken zur Verhehlung des Monopols... wartet nur, balde.

Eurobuch, ich hätte dir ein besseres Ende gewünscht als das, d a b e i Erfüllungsgehilfe sein zu müssen.




Fassen wir den Stand der Dinge zusammen.

Amazon hat über seine Tochter Abebooks das ZVAB aufgekauft. Damit besitzt Amazon im deutschen Sprachbereich ein Netz-Absatzmonopol für alte Bücher, das mit rd. 80-85 % zu beziffern ist.

Leider ist wegen besonders ungünstiger Umstände eine Monopolklage nicht möglich. Ebay dürfte neben etwa 5 % Buchabsatz im Versteigerungsbereich inzwischen rd. 10 % des Altbuchverkaufs über sein Ladensystem ("Shop") in der Hand haben, dort übrigens zu einer ZVAB-ähnlichen Gesamtprovision von 15 % des Brutto-Verkaufspreises.

Es ist Außenstehenden nicht klarzumachen, weshalb das Ebay-Ladensystem und der dortige Festpreisverkauf für viele Kollegen nicht sinnvoll ist und keine Alternative zum Datenbankabsatz darstellt. Zeitaufwand und Angebotsformen bei Ebay sind schwer erlernbar und nur unzulänglich durch Tools in den Griff zu bekommen. Tatsache bleibt, daß für fast alle Kollegen der traditionelle Portalabsatz nach ZVAB- und Abebooksmuster die einzige ins Gewicht fallende Internetabsatzform darstellt. Sie können nicht auf Ebay ausweichen.

Angesichts der überraschend geringen Absatzanteile der nicht zum Abebooks-Amazon-ZVAB-Verbund gehörenden anderen Altbuch-Verkaufsportale gibt es in Wahrheit keine Alternative. Dies gilt besonders dann, wenn an sich recht interessante Neuplanungen (Höfs) mit unerträglicher Langsamkeit und wirklich unverantwortlicher Zeitplanung gemächlich daherkommen, während die Lage sofortiges Handeln fordert.

Die Genossenschaftsdatenbank "Antiquariat" ist offenbar durch ihre juristisch komplizierte Trägerschaft an schnellem Handeln gehindert. Sie wäre unter bestimmten Voraussetzungen eine realistische Ausgangsbasis, von der aus der Kampf gegen das Amazon-Abebooks-ZVAB-Monopol aufgenommen werden könnte.

Den Kollegen war die Besonderheit des deutschsprachigen Altbuchabsatzes bisher nicht klarzumachen. Offenbar ist ein Sachverhalt aus mir unbekannten Gründen nicht zu verstehen, der da sagt: Es gibt keinerlei irgendwie ins Gewicht fallende fremdsprachige Kauf- und Sammlerkultur, die im deutschsprachigen Antiquariat eine Rolle spielen könnte. Wer in diesem streng abgeschotteten Markt das Quasimonopol im Netzabsatz hat, der kann es in einem geschlossenen Sprachgebiet verteidigen. Es gibt zum Aufbrechen des Monopols keine Koalitionen mit außerdeutschen Portalen.

Das ist sehr wichtig, weil man fast in der gesamten restlichen Welt immer mehrere Portale zur Auswahl hat, die sich teilsweise recht aktiv bekämpfen, Paradebeispiel hierfür ist Frankreich. Kippt in einem so abgeschotteten Markt wie dem deutschen das Gleichgewicht im Absatz erst einmal, dann wird es praktisch unangreifbar.

Damit sind wir eim zweiten kritischen Punkt, der den Antiquaren ähnlich Hekuba zu sein scheint - nämlich bei den Gesetzen der Internet-Klickraten, der Bekanntheit im Internet, den psychologischen und technischen Regeln, die hinter den Klick- und Kaufhäufigkeiten im Internet stehen. Im Netz ist bei bestimmten Voraussetzungen ein Quasi-Monopol unangreifbar. Es kann auch mit den besten Absichten, den höchsten Datenbank-Qualitäten und den wohlmeinendsten Dienstleistungen nicht mehr revidiert werden.

Bei der Neuschaffung eines Monopols gibt es wenige, kurze Zeiten und Momente, in denen der Monopolist in seinen Vorbereitungen noch gestört, in denen er entlarvt und mit seinen Absichten in der Öffentlichkeit bloßgestellt werden kann. Ich verstehe meine Bewertungen hier übrigens ganz neutral - hätte ich mich auch an Abebooks= Amazon verkaufen lassen, würde ich ohne schlechtes Gewissen eben die dortigen Monopolinteressen verteidigen und fördern. So ist das Wirtschaftsleben nun einmal.

Für die Öffentlichkeit aber, wir präzisieren "für die kulturell engagierte Öffentlichkeit", gilt das interessanterweise nicht. Bei diesen Leuten und Institutionen, in den Feuilletons und bei den Kulturbloggern, kann man Goodwill mobilisieren, indem man Monopole anprangert und sich Monopolfreiheit auf die Fahnen schreibt.

Sofortige Handeln ist ungeheuer wichtig, um die geplante Amazon-Abebooks-ZVAB-Taktik zu unterlaufen. Um sie vorauszuahnen, brauchen wir uns nur in den Monopolisten hineinzuversetzen. Ich weiß nicht, ob gute alte Leute wie Heinisch mitverkauft worden sind, es muß befürchtet werden. Wo steht Wiesler? Wie auch immer, die kommende Taktik des Monopolisten wird ausgeklügelt sein. Sie besteht in einer ersten Phase sicher in einer

*Vernebelungstaktik.

Mit großen Augen und naiv-selbstverständlich wird auf die beabsichtigte Selbständigkeit der Teilbereiche hingewiesen. Wie formulierte es ein Kollege so unübertroffen blöde: "Amazon ist ein Gemischtwarenkonzern. Wenn dem nun das ZVAB gehört, ändert sich garnichts dadurch".

Es ist hier nicht der Ort, um die in den vorhergehenden Blogbeiträgen gründlich dargestellten Konzernstrategien bei Amazon ein weiteres Mal auszuwalzen. Nach einer Anschmusungsphase, in der das ZVAB "noch besser im Dienst der Antiquare" wird, integriert Abebooks das ZVAB dann eben doch, natürlich nur, um "noch mehr Vorteile für die Antiquare bieten zu können". Ob und wie Amazon dann seinerseits Abebooks integrieren wird, entscheidet sich auf weltweiter Ebene, ist aber - mit Sicherheit - nur eine Frage der Zeit.

Nicht erst am Ende, sondern schon recht kurzfristig werden wir alle die Unfreiheiten erleben, die ein Quasi-Monopolist uns bescheren kann. Nach dem Ende der Anschmusungsphase wird uns der Vertrieb "zu unserem eigenen Besten" aus der Hand genommen, werden die einliefernden Antiquare kaum mehr, nur versteckt und am Ende gar nicht mehr genannt. Die Gebühren werden kunstvoll verschachtelt und erreichen, in der angelsächsischen Welt gilt das als sichere Endplanung, ein glattes Drittel vom Verkaufspreis. Weitere Knebelmaßnahmen, von Zwangs-Altbuch-Preisansätzen bis zur Bindung an eine eigene Amazon-Hausbank, kann sich jeder Kollege selbst ausmalen.

Ein anderer Punkt ist der der E h r e. Gemeinhin vergißt der Antiquar diesen Aspekt und findet gar nichts dabei, wenn ihm ein Verkaufsinstrument aus der Hand genommen wird und er zunehmend, fast wehrlos, am Gängelband geführt ist. Es sind die gleichen Antiquare, die laut aufschreien, wenn ihre Titelaufnahmen oder ihre Buchverpackungen kritisiert werden. Dort haben sie ein lebendiges Ehrgefühl, bei Quisquilien also - aber in ethischen Kernbereichen lassen sie bereitwillig alles mit sich machen.

Es muß sofort eine der bestehenden Datenbanken zur Datenbank a l l e r Antiquare erklärt werden, es müssen minimale Anteilsscheine dazu an alle Kollegen ausgegeben werden, die Genossenschaft muß durch ein Parallelmodell eingebunden sein. Die zurecht halbtoten ILAB-Datenbanken kann man unbeachtet lassen, was ich zum Verband sagen möchte, unterlasse ich lieber, es besteht die Möglichkeit, daß er sich selbst seiner Freiheit beraubt hat in der Führungsspitze, die ich nicht mehr für unabhängig halten kann.

Wir müssen mindestens die Hälfte der Antiquare, auch die, die noch nicht übers Netz verkaufen, mobilisieren und einbinden. RFMeyer muß aus der Tieftrance aufwachen, die philosophischen Sprüche für einmal unterlassen und seinen Webseitenverbund mit ins Spiel bringen, Höfs sollte seinen Hang zum Aufschieben, zum Verschieben bekämpfen und subito aktiv werden, der Börsenverein sollte vergessen, welche Firmen in seinen Werbebannern vertreten sind und offene Worte wagen - kurzum, der Kampf "David gegen Goliath" muß aufgenommen werden, er muß sofort beginnen!