Mittwoch, 6. April 2011

Auf dem Weg zu einem Anti-Amazon-Portal




1.
Wieder einmal muß ich mich an der eigenen Nase zupfen und mir zurufen: Mulzer, hab nicht nur das Trauerspiel der vorbereiteten Monopolisierung im Internet-Verkaufsbereich einer ganzen Branche im Blick. Vergiß daneben nicht die andere, umfassende, große Lösung, die immer noch als Ausweg bleibt.

Natürlich ist der kommende Amazon-ZVAB-Abebooks-Verbund für jene drei Viertel unserer Kollegen, die auf Gedeih und Verderb am Absatz über diese drei Portale hängen, eine ganz fürchterliche Aussicht und ich sehe zwischen dem kommenden Monopol im Altbuchabsatz und den amerikanischen Bananenkonzernen in Mittelamerika keinen Unterschied. Würde, Freiheit und Selbstbestimmung werden quälend langsam zerstört, nicht weil Amazon böse wäre oder finstere Pläne hegte, nein - es sind die teuflischen Mechanismen unserer Wirtschaftsformen, die *zwangsläufig* zu jener Garrotte-Abwürgung führen, wenn ein Monopol freie Bahn erhält.

Wir haben in den früheren Beiträgen gesehen, warum die Kartellbehörden die Situation nicht erkennen können - die "Ebay-Falle" ist ebenso tückisch wie paradox, denn Amazons Hauptfeind Ebay liefert hier die Argumente für den Gegner. Es wäre darstellbar, daß die anderen Datenbänklein unterhalb der 10 % - Absatzmarge liegen, Wiesler wird uns seine Zahlen nicht vorenthalten. Aber die Ebay-Situation ist für Außenstehende nicht nachvollziehbar, und leider haben auch die meisten Antiquare keinen Schimmer davon, was Portalverkauf über Ebay für den mittleren Händler bedeutet, finanziell, vor allem aber technisch-taktisch. Für Unbedarfte sieht es so aus, als bestünde das Amazon-Monopol nicht, weil ja das Absatzventil über Ebay bleibt. Das ist in der Theorie richtig, in der Praxis aber ganz falsch. Hier sehe ich eine Tragödie, denn die Kartellbehörden können das nicht verstehen.

2.
Dr. Biester übertrifft sich heute selbst, indem er die ergänzende Pressemeldung von Mediantis
so kryptisch herüberbringt, wie sie sich auf dern ersten Blick darstellt. Nicht ein Wort zur Erläuterung, kein Quentchen Wertung. So ähnlich schrieb auch die Frankfurter Zeitung, als es sie 1942 eigentlich gar nicht mehr geben sollte, Hitler über das Frankfurter Blatt regelmäßig schimpfte und für den Redakteur jedes falsche Wort zur Festnahme durch die Gestapo führen konnte.

Wir glauben Biesters Metasprache im Börsenblatt zu verstehen. Als ich gestern Eurobuch nach längerer Zeit wieder einmal in seinen lindgrünen Räumen besuchte, fiel mir auf, wie weit dort die Orientierung auf den Neubuchverkauf schon fortgeschritten ist. Eurobuch will, so hat es den Anschein, ein Portal auch und vor allem für Neubücher werden. Was das für die Mediantis-ZVAB-Abebooks-Amazon-Strategie bedeutet, liegt auf der Hand - es kann sich nur um irgendwelche Verbergungsformen, um Winkelzüge und Tricks handeln, die am Ende alle im Riesenmagen des gigantischen Haifischs "Amazon" enden müssen - anders ist es gar nicht denkbar. Der Gemischtwarenabsatz Neu- und Altbuch will aber sorgfältig vorbereitet sein, nicht zuletzt wegen möglicher Imageverluste. Der Neubuchabsatz darf auf gar keinen Fall beschädigt werden (hierzu unter 3. gleich mehr).

Welche Rolle dabei die Mitwirkenden spielen, ob von Rheinbaben irgendwelche Nebenspielchen auf eigene Rechnung oder ob er, mit oder ohne Amazon-Auftrag, ergänzende Dienste betreibt, das kümmert uns eher wenig, solang Eurobuch auf so niedrigem Zugriffsniveau arbeitet wie jetzt. Es ist eher ein journalistisches Gefühl, im Magen angesiedelt, das uns sagt: Irgendeine Rolle soll jetzt Eurobuch für Amazon spielen, und wie immer es auch ausgehen mag, wir hilflosen Amazon-Milchkühe sind am Ende die Opfer, wir zahlen die Rechnung.

3.
Ich habe mich oben davor gewarnt, mich zu sehr einzulassen auf das Thema "Einzelbuch-Absatz". Noch immer verhält es sich so - davon bin ich felsenfest überzeugt -, daß drei Viertel aller Altbuchkunden, die nach Einzeltiteln suchen und einzelne Bücher bestellen, in Wahrheit viel lieber L o s e suchen würden, sich innerhalb ihrer Interessenfelder, ihrer Sammelgebiete bewegen würden, wenn sie es denn auf vernünftige Weise tun könnten in den Portalen.

Eine Datenbank im Besitz der Antiquare, die sich den RFMeyerschen Webseitenverbund (chr... chr... chr...) und die Biesterschen Kataloglisten als Ausgangspunkt einer völlig neuen Sachgruppenstrategie nehmen würde, könnte einen entscheidenden Vorsprung vor der Amazonkrake erhalten. Denn ohne ideelle Mitarbeit der Kollegen wäre das nicht auf die Beine zu stellen - und noch ist Amazon-Abebooks-ZVAB nicht in der Lage, die Antiquare zu einer solchen Mitwirkung zu zwingen. Noch nicht...

Das andere "Alleinstellungsmerkmal" einer Gegendatenbank sehe ich in der thematischen Verzeichnung von Edelware. Auch dies kann der Haifisch (noch) nicht leisten. Das reicht von jener virtuellen Darstellung der Messeware, die uns unlängst einige Videosequenzen schon vorausahnen ließen, bis in das Randgeschäft der Versteigerungshäuser. Eigentlich müßten nun Biesters Nüstern beben, denn nur für diesen Sektor unseres Gewerbes interessiert er sich wirklich.

Fassen wir zusammen: Eine Datenbank, ein Verkaufsportal, das uns vor der Amazonkrake noch retten kann, muß mindestens zwei Ideen verwirklichen: Erstens mutige Schritte hin zu einem erweiterten Webseitenverbund, zum zweiten sorgsam geplante Wege zu einer Webseiten-, Messe- und Versteigerungsdatenbank im Edelwarensektor.

Und sie muß, zum Donner, den Antiquaren selber gehören.



Das "Gerücht" gehört A.Paul Weber

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