Sind die Befürchtungen, die wir hegen angesichts des ZVAB-Verkaufs, nur das Geschnatter ängstlicher Waschweiber, benehmen wir uns wie Kinder, die im finsteren Wald Angst haben, weil sich hinter jedem Busch ein böser Mann verbirgt, wer weiß?

Exempla docent, sehen wir uns doch mal an, was schon alles versucht worden ist, um die Antiquare zu beglücken. Ich verzichte auf Namensnennungen, da die Kollegen französische und englische Quellentexte nicht zu lesen belieben, schon deutsche Blogs zu überfliegen ist ihnen zu mühsam, wie unlängst einer dem Börsenblatt gestand.

1.
Das groteskeste Beispiel ist für mich immer noch jenes Verfahren, bei dem die Datenbank den Antiquar auffordert, jedes Buch, das der Antiquar bei ihr einstellt, in corpore, also im Original, ihr einzusenden. Nicht erst dann, wenn die Bestellung vorliegt, sondern sofort, gleichzeitig mit der Titeleingabe. Der Preis wird vom Antiquar gewissermaßen als Nettopreis festgelegt, die Datenbank schlägt eine beträchtliche Summe darauf, ihren Gewinn, und setzt den Endpreis fest, den der Kunde zu zahlen hat.

Die betreffende Datenbank, der Kenner weiß jetzt schon, wie sie heißt, hat damit ihren romanisch-lässigen Mitgliedsantiquaren einen hohen und umständlichen Organisationsgrad abverlangt, der diesen ebensowenig behagen konnte wie der hohe Aufschlag, der auf ihre Nettopreise festgesetzt wurde. Das Verfahren wurde seither öfter verschlimmbessert, ich habe mich nicht mehr näher mit der auch sonst konfusen, ungeschickten Datenbank befaßt, die aber munter floriert und auch Neubücher vertreibt. Dort konnte man etwa Nachdrucke - also nicht etwa Originale - von Gartenlauben-Artikeln, 5 Seiten und 1 Holzstich, für 55 Euro erwerben, und was andere Dada-Ideen mehr waren. In einem schon länger zurückliegenden Portaltest bekam sie, wenn ich mich recht erinnere, von mir als einzige die Note "6".

Hier können wir zweierlei festhalten:

*Das Portal bringt die Individualität des Händlers ganz zum Verschwinden, vertreibt die Ware wie ihre eigene, übernimmt aber auch jedes Risiko, wickelt Rücknahmen ab und garantiert für die Ware (prüft angelieferte Titel aber vor Aufnahme sehr pingelig und ungnädig)

*Das Portal lagert und fakturiert die Titel bei sich, gewissermaßen eine Variante meines vielbelächelten Haus-der-alten-Bücher-Modells.

Wie dann die Bezahlung des Antiquars durch das romanische Portal erfolgt, ist derart kompliziert geregelt, daß ich mich weigere, den Wust hier aufzudröseln.

2.
Fast alle Datenbanken haben einen naheliegenden, pfiffigen Trick eingebaut, mit dem sie verhindern, daß der teilnehmende Antiquar auch selbständig, neben ihr her und provisionsfrei, mit Titeln arbeiten kann, die ihrer Kontrolle entzogen sind. Es wird zwar eine betuliche Unabhängigkeits-Beflissenheit geheuchelt dergestalt, daß der Kunde im Rahmen des großen Verkaufsportals die selbständigen Listen und Kataloge der Antiquare einsehen darf - aber fast immer n u r solche, die der Antiquar auch im Gesamtbestand der jeweiligen Datenbank listet.

Dieses Verfahren ist inzwischen so selbstverständlich geworden, daß uns die kleine Perfidie, die darin verborgen ist, gar nicht mehr auffällt.

*Die Datenbank propagiert imagefreundlich eine Selbständigkeit der Antiquare durch separate Aufrufmöglichkeit ihrer Listen - aber nur solcher Listen/ Kataloge mit solchen Titeln, aus denen die Datenbank volle Provision erhält.

Dazu gibt es Varianten, von denen die Übernahme separierter Titel aus dem Gesamtportal in eine Teil-Datenbank, die der Antiquar in seine eigene Webseite einbauen darf (etwa das Prolibri /Antiquar-Modell) nicht ungeschickt wäre - würde nicht z.B. im Prolibri-Fall eine unglücklicher Webseitennorm die Verhehlung dieses Systems begünstigen und den Antiquar zu, nach meiner Einschätzung, unaufrichtigen Formulierungen verführen, die "meine Datenbank" suggerieren wollen und den technischen Auszug aus dem Gesamtportal den sorgfältig selbsterstellten Webseitenlisten fleißigerer Kollegen gleichstellen möchten.

Auf dieser Schiene wird, so vermute ich, die Entwicklung voranschreiten. Hierdurch kann nämlich ein fortschreitender Verlust an Selbständigkeit kaschiert, dissimuliert, ja geradezu verborgen und ins Gegenteil umgemünzt werden. Kurios, aber durchaus wahrscheinlich:

*Mit zunehmender Gängelung und Abhängigkeitshaltung des einzelnen Antiquars durch das große Verkaufsportal verstärkt sich der Eindruck seiner (vorgetäuschten) Selbständigkeit.

Diese Vortäuschung ermöglicht und unterstützt natürlich die Datenbank bereitwilligst.

3.
Ein von fern vergleichbares System wendet die pfiffige Datenbank an in der Monopolisierungsfrage. Sie wird, notfalls mit massiver finanzieller Förderung, eine "Scheindatenbank" unterhalten, die als Alibifunktion dienen soll. Sie wird die - ganz marginalen - Umsätze dieser Alibi-Datenbank peinlich verhehlen, ihr den Anschein bedeutender Gechäftsvorgänge geben, sie sogar bewerben.

In einer Übergangszeit leisten die bereits bestehenden marginalen Datenbänklein in Deutschland diese Dienste sehr gut.

Womit sich die Frage stellt, ob auch Prolibri/ Antiquariat die Rolle des nützlichen Idioten übernimmt, um dem Amazon-Abebooks-ZVAB-Konzern das Monopolverfahren zu ersparen. Weil sie zweifellos, ganz gegen ihren Willen natürlich, in diese Rolle abzugleiten droht, habe ich in den vorherigen Postings immer auf einem *sofortiges* Handeln von Prolibri /Antiquariat insistiert. Auch in dieser Frage ist der Zeitfaktor ganz wichtig. Wartet Prolibri/ Antiquariat zu lang, dann verpaßt sie nicht nur ihre Einwirkungschance, schlimmer noch, sie übernimmt mit die Alibifunktion für den Amazonverbund.

4.
Hochinteressant ist die Frage, inwieweit w+h/ Wiesler in dem kommenden Spiel - das schon begonnen hat - agieren kann und will. Amazon/Abebooks/ZVAB werden als ein wichtiges Bindeglied zwischen Portal und Antiquar immer sehen die organisatorische "Betreuung" in dem Sinn, daß ihre Dienste für den Antiquar *unentbehrlich* werden. Sie müssen also w+h/ Wiesler irgendwie ablösen, ersetzen oder aufkaufen.

Schon möglich, daß sich die für mich ganz unerklärliche w+h/ Wiesler-Handlungsabstinenz in der jetzigen Lage, sie kommt schon bald einer Handlungsverweigerung gleich, als erklärlichen Grund hat: "Wir würden auch gern von Amazon aufgekauft werden."

Das wird sich w+h/ Wiesler hoffentlich noch überlegen. Denn neben Prolibri/ Antiquariat ist w+h/ Wiesler die einzige Größe, die eine gemeinsame Gegendatenbank gegen Amazon aufbauen könnte. Würde Wiesler sich mit der Prolibri/ Antiquariat-Führung an einen Tisch setzen und frei planen können - dann erst müßte Amazon sehen, daß ihm ernsthaft Paroli geboten würde.

In der jetzigen Lage ist Amazon-Abebooks/ZVAB verletzlich, wie ein Käfer im Stadium der Häutung. Wenige Monate später läuft deren neue Strategie stabil, Amazon ist unverwundbar, unangreifbar geworden.

Nur können wir Wiesler dazu nicht zwingen, und auch die einst von mir nach Deutschland exportierte Genossenschaftsidee im Antiquariatsbereich läßt sich nicht auf Knopfdruck reformieren. Allerdings können die juristischen Probleme mit dem vor vier Tagen hier vorgestellten Parallelmodell eleganz umschifft werden. Prolibri/ Antiquariat könnte sofort handeln.

Was aber jedenfalls möglich ist:

Sofort einen runden Tisch zu veranstalten. Könnte das der neutrale Börsenverein in seiner Buchhändlerschule in Frankfurt organisieren? Die Vorlaufzeit müßte aber äußerst knapp angesetzt werden, 10 Tage vielleicht.

Ein ganzer Samstag am grünen Tisch brächte schon viel.


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