Im dritten Teil seiner Ausarbeitungen zum Thema "ZVAB – Fusion, Folgen und Chancen (3/3) " beglückt uns Kollege Pardun mit dem ganzen Füllhorn seiner Antiquariatswissenschaft.

Ich habe ja nun aus früheren Fehlern gelernt und bemühe mich tapfer, meinen Hang zu persönlichen Angriffen zu bekämpfen. Es ist nicht fair, unbekannte Menschen aus der Ferne verbal niederzumachen, denn lernt man sie später von Angesicht zu Angesicht kennen, dann versteht man ihre besondere Art viel besser und bedauert die stattgehabten Auseinandersetzungen, wenigstens in der Form, oft auch im Inhalt. Dies ist auch der Grund für die wiederholten Titeländerungen meiner Blogs in den letzten Jahren. Abgebrochene Blogs verschwinden sehr bald im Googleschen Sumpf des Vergessens. Also gehen wir in Zukunft freundlich miteinander um.

Aber es gibt Grenzen. Wo diese überschritten werden, muß Klartext gesprochen werden. Ich will versuchen, anstelle eines unfreundlichen Referates ins Positive gewendet einige Thesen aufzustellen.

1.
Die Verhältnisse im gesamten Bereich des Antiquariats / der alten Bücher / der Büchersammler s i n d so, wie sie sich derzeit darstellen. Es handelt sich da nicht, wie uns Pardun glauben machen will, um veränderbare Größen. Wir haben als kleine und mittlere Händler die Fakten erst einmal a n z u n e h m e n.

Pardun sieht die Fragen des Antiquariats als ein weites offenes Feld, das wir nur recht zu beackern haben, in dem wir Hecken pflanzen und Wiesen bewässern können, auf dem wir Vieh weiden und Molkereien einrichten dürfen, für das wir Fruchtfolgen und Erzeugerpreise festlegen sollen - Go West...

Kommen Sie herunter vom Pferd, lieber Kollege, und erkennen Sie, daß nicht jungfräuliches Land vor uns liegt, sondern eine festzementierte Großstadtlandschaft. Jede noch so kleine Veränderung ist unendlich mühsam und langwierig, alles ist bereits festgelegt, vorkonstruiert, läuft in den Bahnen, die man uns vorgezeichnet hat.

Ich bin, wie Sie, Hauptfachsoziologe, wenn ich mich im Unterschied zu Ihnen auch hüte, das zu plakatieren, wohl wissend, daß es bei den meisten unserer älteren Kunden und auch bei vielen Kollegen keine Empfehlung, sondern eine Schmach ist, dieses gefährliche Fach studiert zu haben. Sowas hält man lieber geheim. Den Nebenfachjuristen lasse ich dagegen gern heraushängen.

Will sagen, ich verstehe Ihre Sichtweise, muß sie aber als unangemessen und als wenig hilfreich bezeichnen immer dann, wenn es um b e r u f l i c h e Hilfestellung geht. Die Kollegen brauchen konkrete, umsetzbare, nützliche Hinweise, Ideen, Ratschläge, Auswege, nicht Wolkenschiebereien.

Greifen wir ein Feld heraus, auf dem ich mich auskenne. Wie kommen Sie nur darauf, das Kapitel unseres Verhältnisses zu den Bibliotheken derart leichtfertig anzusprechen? Dieses Feld gehört zu den betrüblichsten und zugleich absurdesten, mit denen es unser Berufsstand derzeit zu tun hat.

Es gilt zunächst, sich in die Bibliothekare hineinzudenken. Sie sitzen zwischen allen Stühlen, Digitalisierung, neue Einschätzung wenig benutzter Altbestände, ungebrochene Fotokopieseuche vor allem unter den Studenten, teils beängstigend wachsende Geldforderungen der Fachverleger, unzureichende Vertretung in den politischen Budgetierungsinstanzen, (noch immer!) das Chaos uneinheitlicher Bibliographien, (noch immer!) die Unordnung und Mühsal bei Fernkopien und in der Fernleihe, undsoweiter, undsofort.

Warum bitte haben wir Antiquare uns nicht durchgerungen dazu, gemeinsame Angebote zu machen in der Art, daß anhand der Bibliothekskataloge gezielt fehlende Titel aufgelistet werden, unter Beachtung des IuD-Programms und der SdD, in Gemeinschaftsarbeit aller Kollegen - welcher Referent in einer Bibliothek hat denn sonst Zeit, antiquarische Titel zu finden und zu bestellen? Ich habe das schon in der Hess-Runde seitenweise vorgeschlagen und gefordert. Was hat sich getan - nichts! Das "Bibliotheksprogramm" des ZVAB ist im Vergleich dazu nur Schönfärberei und Augenwischerei. W i r haben unsere Hausaufgaben nicht gemacht!

Das ist nur ein Beispiel von mehreren Chancen und Problemen, die konkret im Bibliotheksbereich anstehen. Was lese ich davon bei Ihnen?

2.
Ist es wirklich so schwer, das Verhältnis der Antiquare zu ihren Kunden auf einfache Weise darzustellen? Ich mag das nicht glauben. Greifen wir ein Beispiel heraus.

Für die älteren Titel der unteren und mittleren Preissegmente vor 1945 außerhalb unserer wenigen Sammelgebiete gilt, daß es dafür immer weniger Käufer gibt. Man wird sie, wenn erst die Herstellung guter gebundener Laserdrucke für jedermann möglich sein wird, bald einmal makulieren dürfen.

Nicht nur für dieses Drittel unserer typischen Lagerbestände, sondern für den Absatz aller antiquarischer Bücher, sofern sie

*keine Gebrauchsliteratur mehr darstellen (weil überholt, vergessen, aus der Mode) und
*keinem der wenigen bestehenden Sammelgebiete angehören (wie Kochbuch, Zensur, Handwerkstechnik, Pornographie, Revolution),

müssen wir uns unsere Kunden neu backen. Das klingt bei Ihnen auch an, ehe es dann wieder im Meer Ihrer allgemeinen Betrachtungen zur Weltlage untergeht.

Hier ist doch die Lösung ganz einfach, jedenfalls in der Theorie, und auch deren Umsetzung wirft eher bescheidene Probleme auf - sie muß nur in Angriff genommen werden! Ich spreche von der Umwandlung auch unseres unteren und mittleren Antiquariatsgutes in S a m m l e r w a r e und der Verführung neuer Kundenschichten zum Büchersammeln in einer ganz neuen Form. Das sind konkrete Fragen, die sofort und mit aller Energie diskutiert werden müssen. Hier sind, auch wenn das manchem hochkulturellen Edelkollegen nicht gefallen mag, Anleihen beim Briefmarkensammeln auf breitester Ebene zu machen.

3.
Als Deutschlehrer würde ich Sie zeihen, das Thema Ihres Aufsatzes verfehlt zu haben insofern, als Sie vom Ankauf des ZVAB durch die Amazonkrake kaum etwas schreiben, was nach konkreter Analyse aussieht, von Handlungsanweisungen zu schweigen . Gehören Sie zu jenen Soziologen, die mir immer unverständlich geblieben sind, weil sie von der Wirtschaft und ihren Gesetzen wenig wissen wollten und hochmütig auf ihre minderen Brüder von der Volks- und Betriebwirtschaft herabzublicken pflegen? Das will ich nicht hoffen.

Dann bequemen Sie sich aber auch dazu, klar zu sagen, wie verheerend und verderblich jede Monopolisierung sein kann, was ihre Verbergungstricks sind, wie sie sich zu vertuschen und schönzureden pflegt. Mancherorten klingt das schon in den (bisher spärlichen) Kommentaren der Presse durch, da wird von "Fusion" gesäuselt, von "neuer Zusammenarbeit" getönt, es werden gar "Synergieeffekte" bemüht. -

Ja, freilich, es ist die Synergie der vereinfachten Tierhaltung jener Schafsrasse, die auf den Namen "Antiquare" hört.

Ich möchte in einem meiner nächsten Beiträge ausmalen, wie wir uns das kommende Szenarium einer Amazon - Abebooks - ZVAB - Wirtschaft im einzelnen vorzustellen haben.

Noch bin ich nicht von meiner schweren Grippe genesen. Der Sonntagskaffee wartet auf mich, und den lasse ich mir jetzt nicht nehmen. Ich bitte Kollegen Pardun, mir nicht allzu böse zu sein über meine kritischen Zeilen.


Dem "Filmposter-Archiv" http://www.filmposter-archiv.de/ sei ausdrücklich gedankt für die Wiedergabemöglichkeit des Filmplakats. Die Seite ist besuchenswert!

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