Grenzwertrechnungen im Antiquariat

Teil 1: Ältere Bücher vor 1940 als Gebrauchsbücher (nicht Sammlerbücher)


Wir erhalten in absehbarer Zeit ein kombiniertes System, das die Millionen digitalisierter älterer Bücher in Druckvorlagen umwandelt und über den häuslichen Laserdrucker ausgibt. Dann noch eine Klebebindung mit Chromokartonumschlag und vorbereiteter Rückenleimung, rasch erhitzt und fest verklebt, schon ist das A4-Buch auf dem Arbeitstisch zuhause oder im Büro fertiggestellt.

Die Programmierung wird unabhängig vom Format des Originalbuchs für eine ästhetische Regal-Anordnung im A4-Format sorgen.

Dieses System wird demnächst kommen, weil es sozusagen schon da ist, machbar ist und gebraucht wird. Es wird sich sehr schnell und äußerst preiswert durchsetzen.

Google wird seine absurde, übervorsichtige Europa-Eingrenzung zum Jahr 1900 aufgeben und bis etwa 1940 (fast) jedes Buch digitalisiert bereithalten. Das Europarat-Projekt wird ein übriges dazu tun.

Die Drucke werden in der Umsetzung nicht zwangsläufig schlechter, sie können durchaus auch etwas vergrößert und glasklar erscheinen, sogar lesefreundlicher sein als das historische Original. Das Format A4 ist zwar sperrig und im Bücherschrank nicht unbedingt "schön", bietet aber für jede Arbeit mit den Texten den idealen, altgewohnten Schreib- und Ablagestandard.

Bei der Herstellung solcher Drucke können wir bestimmte Normwerte ablesen, die bei Grenzkalkulationen im Antiquariat der Zukunft eine große Rolle spielen.

Eine typische Buchseite bei älteren Texten lasse sich in A4 etwa 1,5 x graphisch umsetzen. Dann entspricht ein Original von 100 Seiten 65 Seiten A4, 200 Seiten im Original entsprechen 130 S. A4 und 300 Originalseiten werden in 200 Seiten A4 lasergedruckt.

Je Seite A4 treten bei doppelseitigem Druck Druckkosten für 1 Seite (Kyocera 1,5 cents) und Papierkosten für 1/2 Seite (1 cents) auf. Hinzu kommt ein vorgefertigter rückengeleimter Chromokarton zu 0,50 Euro, Stromkosten für Heißklebebindung und Laserdruck mögen bei 0,20 Euro liegen.

Der Zeitaufwand für Druckeinrichtung, Drucküberwachung und Heißklebung möge 5 Minuten betragen, bei einem Stundenlohn von 24 Euro (unteres Akademikerniveau) entspricht das 2 Euro.

Die gesamten Kosten zur häuslichen Herstellung eines gebundenen System-Laserbuchs betragen also bei einem Seitenumfang des Originalbuchs von

100 Seiten ... 4,35 Euro
200 Seiten ...6,00 Euro
300 Seiten ... 7,70 Euro

Diese Beträge sind also die direkten und indirekten Kosten, die der Kunde bei Selbstherstellung des Buchs hat. Eine Reihe weiterer Faktoren heben sich gegenseitig auf, besonders wichtig ist dabei die sofortige Verfügbarkeit des Buchs bei der Selbstherstellung - im Gegensatz zur zeitaufwendigen Besorgung im Laden oder der Bestellung und Bezahlung im Internet, der Entgegennahme der Sendung, dem Auspacken, der Buch- und der Rechnungskontrolle. Das echte alte Buch ist authentischer, dagegen kann man mit dem A4-Standardbuch oft besser arbeiten, es wirkt sauberer, frischer. Das echte Buch ist oft vom Rücken her leichter aufzufinden im Regal, läßt sich im Gegenzug weniger gut einordnen als das heißgeklebte Chromokarton-Buch im Standardformat.

Wir können, Versand als Büchersendung und billigste Verpackungswahl vorausgesetzt, den Vorteil der Authentizität des Originalbuchs in etwa mit den Versandkosten, die der Kunde ja bezahlen muß, gleichwertig setzen - immer vorausgesetzt, daß es sich nicht um Sammlerbücher handelt. Diese durchschnittlich knapp 2 Euro Versandkosten kann ihm die bessere Handhabbarkeit des Originalbuchs wert sein.

Das ergibt als zukünftige Wertobergrenze für Gebrauchsbücher, die keinen Charakter als Sammlerbücher haben (können), aufgerundet 5 - 10 Euro, je nach Umfang.

Setzen wir den Zeitaufwand des Antiquars im Ankauf mit 30 Sekunden an, bei der Bearbeitung und Sortierung/ Lagerhaltung mit 4 Minuten und bei Versand und Fakturierung mit 5 Minuten, dann ergibt sich ein Zeit- und Lohnkostenaufwand

wenn 30 % aller Titel verkauft werden ... 18 Minuten ...4,50 Euro
wenn 20 % ...28 Minuten ...7 Euro
wenn 10 % ...50 Minuten. ...13 Euro

Die Verkaufs- bzw. Portalgebühren bleiben unberücksichtigt. Die Arbeitszeit des Antiquars bzw. seiner Hilfskraft werden mit 15 Euro angesetzt. Die Arbeitskosten sind oben in der dritten Spalte vermerkt.

Daraus ergibt sich nun, daß der Handel mit Gebrauchsbüchern für den Antiquar schon in sehr naher Zukunft nicht mehr lohnend sein wird. Das Ergebnis ist zwingend und nicht diskutierbar, auch weil der Absatz von Gebrauchsbüchern unter die 20 %-Marke fallen wird, sofern er nicht jetzt schon darunter liegt.

Dies wiederum zwingt den Antiquar, aus welchen Ankaufsquellen auch immer er sich versorgen mag, dazu, sich in Zukunft ausschließlich mit Sammlerbüchern zu beschäftigen.

Was aber sind Sammlerbücher, wie kann er Sammler finden, ihre Interessen fördern, ihr Hobby mitpflegen? Das ist die Kernfrage des gesamten Antiquariats in den nächsten Jahren.

Die oben aufgeführten Zahlen muß jeder Kollege als Menetekel an der Wand geschrieben sehen, bei allem, was er unternimmt.

Bildquelle: Bundesarchiv Bild 183-29576-0001, Magdeburg, Pioniere sammeln Altpapier.jpg


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